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Sozialversicherungspflicht von Geschäftsführern und mitarbeitenden Minderheitengesellschafter einer GmbH

Fehleinschätzungen sind teuer!

Fehleinschätzungen bei der Frage ob ein Geschäftsführer oder ein sonstig mitarbeitender Gesellschafter einer GmbH oder UG mit nur geringen Anteilen am Stammkapital sozialversicherungspflichtig ist, können teuer werden. Stellt sich heraus, dass Sozialversicherungspflicht besteht, werden die Beiträge für den Prüfungszeitraum nachträglich erhoben. Zusätzlich sind neben der Nachverbeitragung Säumniszuschläge fällig.

Wurden die Beträge vorsätzlich nicht abgeführt, sind strafrechtliche Konsequenzen wegen Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen denkbar. Klarheit bring ein Statusfeststellungsverfahren bei der Deutschen Rentenversicherung.

 

Welche Kriterien sind insbesondere maßgeblich?

Leitsätze des Bundessozialgerichtes

Das Bundessozialgericht hat folgende Leitsätze aufgestellt (BSG Urteil 14.3.2018, B 12 KR 13/17 R).

  1. Geschäftsführer einer GmbH, die nicht am Gesellschaftskapital beteiligt sind (sog. Fremdgeschäftsführer), sind ausnahmslos abhängig beschäftigt.

  2. Gesellschafter-Geschäftsführer sind aufgrund ihrer Kapitalbeteiligung nur dann selbstständig tätig, wenn sie mindestens 50 v.H. der Anteile am Stammkapital halten oder ihnen bei geringerer Kapitalbeteiligung nach dem Gesellschaftsvertrag eine "echte"/"qualifizierte" Sperrminorität eingeräumt ist.

  3. Eine "echte"/"qualifizierte" Sperrminorität setzt voraus, dass sie nicht auf bestimmte Angelegenheiten der Gesellschaft begrenzt ist, sondern uneingeschränkt die gesamte Unternehmenstätigkeit umfasst.

  4. Außerhalb des Gesellschaftsvertrags (Satzung) zustande gekommene, das Stimmverhalten regelnde Vereinbarungen (Abreden) sind bei der Bewertung der Rechtsmachtverhältnisse nicht zu berücksichtigen.

 

Doch im Einzelnen…

50%-Marke: Gänzlich beitragsfrei kann nur sein, wer rechtlich das Sagen hat!

Entscheidend für den Status ist die rechtliche Macht über das eigene Dasein in der Gesellschaft und der Gesellschaft alleine zu entscheiden. Ist der Geschäftsführer mit exakt 50% oder mehr als 50% am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt, ist dieser rechtlich in der Regel befugt seine Entscheidungen auch gegen den Willen der anderen Gesellschafter durchzusetzen. Bei einer Beteiligung mit weniger als 50% am Stammkapital liegt regelmäßig Beitragspflicht vor. Zwingende Folge ist dies jedoch nicht.

 

Sperrminorität

Besitzt der Minderheitengesellschafter weniger als 50 % des Stammkapitals kann dieser aufgrund einer Sperrminorität dennoch die Rechtsmacht haben entscheidende Beschlüsse der Gesellschafter zu verhindern oder eigene Entscheidungen gegen den Willen der Mehrheit herbeizuführen.

Die Sperrminorität muss jedoch umfassend sein. Sie muss den Geschäftsführer auch „in stürmischen Zeiten“ berechtigen, jegliche ihm nicht genehme Einzelanweisung der Gesellschaft auf dem Gebiet der Geschäftsführung abzuwehren (vgl. BSG 19.8.2015, B 12 KR 9/14 R; LSG München, 16.07.2018, L 7 R 5189/16).

 

Familiäre Banden zählen nicht. Keine Schönwetter-Selbstständigkeit!

Entscheidend sind allein die gesellschaftsrechtlichen Machtverhältnisse. Familiäre Banden und Rücksichtnahmen sind für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status irrelevant. So mag der Minderheitengesellschafter “Kopf und Seele“ des Familienunternehmens sein, im Falle eines Zerwürfnisses könnte dieser sich gesellschaftsrechtlich jedoch rechtlich nicht wirksam gegen die anderen durchsetzen, seine Ent¬fernung aus dem Unternehmen nicht gegen den Willen der anderen verhindern. Eine bloße "Schönwetter-Selbstständigkeit" wird beitragsrechtlich nicht anerkannt (BSG, Urteil vom 29.07. 2015 – B 12 KR 23/13 R). Stimmrechtsbindung muss im Gesellschaftsvertrag geregelt sein Denkbar sind auch Stimm¬bindungs¬verträge mit weiteren Gesellschaftern. Bei Abschluss eines Stimmbindungsvertrages können die betroffenen Entscheidungen nur einheitlich getroffen werden. Hierdurch kann ein Minderheitengesellschafter ebenfalls die „Rechtsmacht“ eines selbständigen Unternehmers erhalten. Entscheidend ist auch hier der Gesellschaftsvertrag/die Satzung. Die Stimmrechtsbindung muss im notariell beglaubigten Gesellschaftsvertrag selbst vereinbart sein. Eine außerhalb des Gesellschaftsvertrages/der Satzung geschlossene Vereinbarung wäre jederzeit kündbar. Eine lediglich schuldrechtliche Vereinbarung außerhalb des Gesellschaftsvertrages reicht alleine nicht aus (BSG, Urteile vom 11.11.2015 - B 12 KR 10/14 R).

 

Welche Konsequenzen hat die Scheinselbständigkeit?

Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen und Säumniszuschläge

Liegt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vor, besteht grundsätzlich ab Beschäftigungsbeginn Sozialversicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung, namentlich der Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung.

Stellt der Prüfer Sozialversicherungspflicht fest, zieht die Einzugsstelle den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für das laufende Jahr und die 4 zurückliegenden Kalenderjahre beim Arbeitgeber ein.

Ein Rückgriff auf den Arbeitnehmer ist nur bedingt möglich. Ein unterbliebener Abzug darf beim Arbeitnehmer nur für die letzten drei Lohn- oder Gehaltszahlungen nachgeholt werden. Die Pfändungsfreigrenzen sind dabei nicht zu beachten. Ein Rückgriff für einen längeren Zeitraum ist nur möglich, wenn der Abzug ohne Verschulden des Arbeitgebers unterblieben ist, § 28g SGB IV.

Für die Zukunft trägt der abhängig beschäftigt tätige Geschäftsführer bzw. mitarbeitende Minderheitengesellschafter seinen Arbeitnehmeranteil zur Sozialversicherung selbst.

 

Private Krankenversicherung

Wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für eine Befreiung von der gesetzlichen Krankenversicherungspflicht nicht vorlagen, sind die Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung auch dann nachzuentrichten, falls der Arbeitnehmer privat krankenversichert war.

Die nachträgliche „Doppelversicherung“ kann der Arbeitnehmer der privaten Krankenversicherung regelmäßig nicht entgegenhalten. Zwar kann der Versicherungsvertrag bei Eintritt der gesetzlichen Versicherungspflicht mit einer Frist von 3 Monaten gekündigt werden, vgl. § 205 VVG. Für den Ablauf der 3-Monatsfrist kommt es allerdings nicht auf die Kenntnis des Versicherungsnehmers an, sondern auf den objektiven Zeitpunkt des Eintritts der gesetzlichen Versicherungspflicht. Die dreimonatige Frist wird daher regelmäßig bereits abgelaufen sein.

War der Scheinselbstständige privat krankenversichert und überschritt dieser die Jahresarbeitsentgeltgrenze, so steht ihm gegen den Arbeitgeber auch für die Vergangenheit der Arbeitgeberzuschuss zur Krankenversicherung zu (vgl. § 257 SGB V, § 25 SGB IV).

 

Freiwillige gesetzliche Krankenversicherung

Die identische Krankenversicherung kann für denselben Zeitraum für den freiwillig Versicherten nicht zugleich Pflichtbeiträge einziehen. War der vermeintlich Selbständige „neue“ Arbeitnehmer freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert, führt die Nachversicherung durch den Arbeitgeber in der gesetzlichen Krankenversicherung in der Regel zu einer Erstattung der vom Arbeitnehmer zuvor im Rahmen seiner freiwilligen Mitgliedschaft gezahlten Beiträge (vgl. § 26 SGB IV).

 

Einkommensteuer

Soweit der fehlerhaft als Selbständiger eingestufte Geschäftsführer oder sonstig mitarbeitende Minderheitengesellschafter für die Zeit seiner vermeintlich freien Mitarbeit keine Einkommensteuer abgeführt hat, ist mit der Nacherhebung der Lohnsteuer zu rechnen. Die Gesellschaft und der irrtümlich als Selbständiger geführte Arbeitnehmer haften gegenüber dem Finanzamt in voller Höhe als Gesamtschuldner für die Lohnsteuernachzahlung.

 

Private Haftung des Geschäftsführers auch für Versäumnisse anderer Geschäftsführer

Der Geschäftsführer einer GmbH hat als vertretungsberechtigtes Organ einer juristischen Person dafür zu sorgen, dass die Gesellschaft sich rechtmäßig verhält und die der Gesellschaft obliegenden öffentlich-rechtlichen Pflichten erfüllt, hier also die Sozialversicherungsbeiträge ordnungsgemäß entrichtet.

Nach der Rechtsprechung (vgl. BGH, Urteil 18.12.2012, II ZR 220/10) handelt der wegen Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge in Anspruch genommene Geschäftsführer mit bedingtem Vorsatz, wenn er eine Beitragsvorenthaltung für möglich hält und diese billigt, statt auf die Erfüllung der Ansprüche der Sozialversicherungsträger hinzuwirken. Er haftet in diesem Falle persönlich mit seinem Privatvermögen.

Ist die Zahlung der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung dem Aufgabenbereich eines anderen Geschäftsführers zugewiesen oder auf Angestellte übertragen, muss der Geschäftsführer im Rahmen der ihm verbliebenen Überwachungspflicht tätig werden, sobald Anhaltspunkte, etwa aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten, dafür bestehen, dass die Erfüllung der Aufgaben durch den intern zuständigen Geschäftsführer oder den mit der Erledigung beauftragten Angestellten nicht mehr gewährleistet ist. Er muss dann durch geeignete Maßnahmen die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge sicherstellen sowie die Einhaltung der Pflicht überwachen.

Fungiert ein Geschäftsführer lediglich als Strohmann und überlässt er die Wahrnehmung seiner Kompetenzen Dritten ohne sich um die Ausgestaltung der Beschäftigungsverhältnisse zu kümmert, so nimmt er die Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge als sogenannten bedingten Vorsatz zumindest in Kauf und haftet gegebenenfalls wegen Vorenthaltung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung (vgl. OLG Celle, Urteil vom 10.05.2017).

 

Strafrechtliche Aspekte

Wer es als Arbeitgeber billigend in Kauf nimmt die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung nicht ordnungsgemäß abzuführen muss neben den finanziellen Auswirkungen mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen. Die Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung einschließlich der Arbeitsförderung nicht an die Einzugsstelle abzuführen ist gem. § 263a StGB eine Straftat. Es handelt sich um ein Dauerdelikt.

Als weitere Konsequenz kann die Gewerbeerlaubnis oder etwa die Gaststättenerlaubnis entzogen werden, falls die fehlende gewerberechtliche Zuverlässigkeit festgestellt wird.

Ferner ist eine Eintragung in das Korruptionsregister möglich, was bei der Vergabe öffentlicher Aufträge hinderlich ist.

Nicht zuletzt folgt nach § 6 GmbHG bei rechtskräftiger Verurteilung wegen Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt eine fünfjährige Geschäftsführersperre.

 

Verjährung

Nachforderungsansprüche auf Sozialversicherungsbeiträge verjähren grundsätzlich 4 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind. Kann die Rentenversicherung nachweisen, dass Beiträge vorsätzlich vorenthalten wurden, verjähren diese erst 30 Jahre nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem sie fällig geworden sind (vgl. § 25 SGB IV).

Die Verjährungsfrist für die Lohnsteuerschuld beträgt 5 Jahre, ab Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Lohnsteuer-Anmeldung / Steuerbescheid wirksam geworden ist. Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Die Festsetzungsverjährung beträgt 4 Jahre, bei hinterzogenen Steuern 10 Jahre, bei leichtfertig verkürzten Steuern 5 Jahre, beginnend mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist bzw. mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Lohnsteuer-Anmeldung eingereicht wird (vgl. § 169 ff AO).

 

Änderung der Verhältnisse

Vorsicht ist auch geboten bei der Änderung der Verhältnisse. Wird der Stammkapitalanteil eines Gesellschafters erhöht oder gemindert, sollten die sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen stets bedacht und erforderlichenfalls geprüft werden, ob über eine Änderung des Gesellschaftsvertrages das gewünschte sozialversicherungsrechtliche Ziel erreicht werden kann.

 

Statusfeststellung

Die Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status kann über ein Statusfeststellungsverfahren bei der Clearingstelle der Rentenversicherung erfolgen. Die Entscheidung der Clearingstelle ist für die anderen Sozialversicherungsträger bindend. Eine frühzeitige verbindliche Klärung ist zweckmäßig, insbesondere auch um dem Vorhalt entgegenzuwirken, die Scheinselbständigkeit billigend in Kauf genommen zu haben.

Das Statusfeststellungsverfahren ist kostenlos. Es kann sowohl vom mitarbeitenden Gesellschafter als auch von der Gesellschaft oder der Krankenkasse beantragt werden.

 

Die Klärung des sozialversicherungsrechtlichen Status und die Auswirkung von Änderungen an den Beteiligungsverhältnissen sollte frühzeitig erfolgen. Wir unterstützen Sie gerne.

Verfasser Kirsten Alexander Ritz, Rechtsanwalt, lohn-ag.de Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

Wir beraten Sie gerne. Bitte richten Sie Ihre Fragen zu diesem Arbeitgeber-Service per E-Mail direkt an fag@lohn-ag-recht.de.

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