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Arbeit auf Abruf

Was ist Arbeit auf Abruf?

Arbeitgeber und Arbeitnehmer können vereinbaren, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung nur entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat. Das Teilzeit- und Befristungsgesetz definiert eine solche Vereinbarung als Arbeit auf Abruf1. Wird Arbeit auf Abruf vereinbart, muss die Vereinbarung eine bestimmte Dauer der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit festlegen.

 

Vermutungsregel: 20-Wochenstunden gelten als vereinbart!

Haben die Vertragsparteien die Arbeitspflicht auf Abruf vereinbart, es jedoch versäumt die Wochenarbeitszeit und die tägliche Arbeitszeit zu regeln, gilt nach der gesetzlichen Regelung eine 20-Stunden-Woche als vereinbart und der Arbeitgeber hat die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers jeweils für mindestens drei aufeinander folgende Stunden in Anspruch zu nehmen.

Es handelt sich hierbei um eine widerlegbare Vermutung, die zunächst wie ein Fels in der Brandung vor einem steht. Die Vermutungsregelung greift nur, wenn keine Regelung getroffen wurde. Einvernehmlich können auch weniger als 20 Stunden pro Woche und weniger als drei Stunden täglich vereinbart werden.

 

Höchstarbeitszeit oder Mindestarbeitszeit?

Legen die Parteien eine Wochenarbeitszeit fest, können sie vereinbaren, dass es sich entweder um eine Mindestarbeitszeit oder um eine Höchstarbeitszeit handelt. Eine Kombination aus beiden Möglichkeiten ist rechtlich nicht zulässig. Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit eine Mindestarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber bis zu 25 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit zusätzlich abrufen. Auf freiwilliger Basis darf der Arbeitnehmer mehr arbeiten, zu mehr ist der Arbeitnehmer grundsätzlich nur verpflichtet, wenn er dem Einsatz zusagt. Nur solange der Arbeitgeber die zusätzlichen Stunden abruft, sind diese zusätzlichen Stunden zu bezahlen. Ist für die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit eine Höchstarbeitszeit vereinbart, darf der Arbeitgeber bis zu 20 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit weniger abrufen. In diesem Fall kann der Arbeitgeber die Arbeitszeit somit einseitig absenken ohne selbst in Verzug zu geraten. Wird die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit von den Parteien nicht vereinbart, kann eine einseitige Absenkung oder Erhöhung nicht erfolgen.

 

Ankündigungsfrist

Die Lage der Arbeitszeit hat der Arbeitgeber 4 Tage im Voraus mitzuteilen. Wird die Frist nicht eingehalten ist der Arbeitnehmer nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet.

 

Beispiele

Arbeitgeber Eins hat einen regelmäßigen Arbeitskräftebedarf in Höhe von regelmäßig 4 Stunden täglich von Montag bis Donnerstag, meist auch am Freitag, höchstens 20 Stunden pro Woche, je nach Auftragslage weniger. Wird Abrufarbeitszeit mit einer Höchstarbeitszeit vereinbart kann die Arbeitszeit einseitig um 20 % reduziert werden. Der Arbeitnehmer muss sich zwar für 100 % bereithalten, zu vergüten ist die Zeit aber nur bei tatsächlicher Inanspruchnahme. Beachtet der Arbeitgeber die Vorankündigungsfrist von 4 Tagen, braucht er nur diese 16 Stunden zu bezahlen.

Arbeitgeber Zwei hat einen Arbeitszeitbedarf in Höhe von mindestens 20 Stunden pro Woche, gelegentlich aber auch mehr, so kann der Arbeitgeber bei Vereinbarung einer Mindestarbeitszeit die vergütungspflichtige Zeit einseitig um 25 % erhöhen. Der Arbeitnehmer muss sich zwar bereithalten, zu vergüten ist die Zeit aber nur bei tatsächlicher in Anspruchnahme. Beachtet der Arbeitgeber die Vorankündigungsfrist von 4 Tagen, ist der Arbeitnehmer verpflichtet 25 Stunden zu arbeiten. Freiwillig kann er auch ohne Einhaltung der Vorankündigungsfrist mehr arbeiten.

Arbeitgeber Drei hat einen Arbeitseinsatz nach Bedarf vereinbart, aber nicht vereinbart, wie viele Stunden der Arbeitnehmer pro Woche arbeitet. Da keine Wochenstundenanzahl vereinbart wurde, gelten Kraft Gesetz 20 Stunden als vereinbart. Diese 20 Stunden hat der Arbeitgeber nach der gesetzlichen Fiktion im Zweifel zu vergüten, auch wenn er die Arbeitsleistung in diesem Umfang nicht benötigt.

 

Spezielle Regelung für Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen

Die Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall wird für Abrufarbeitskräfte mit Wirkung ab Januar 2019 im Teilzeit- und Befristungsgesetz geregelt. Bei Abrufarbeitsverhältnissen ist für die Berechnung die durchschnittliche Arbeitszeit der letzten drei Monate vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit maßgebend. Für den Arbeitnehmer günstigere Regelungen zur Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall finden nach der neuen Regelung vorrangig Anwendung. Für die Berechnung der Entgeltzahlung an Feiertagen gilt dies entsprechend.

 

Phantomlohnfalle für vermeintliche Minijobber

Der Festlegung des einseitig vom Arbeitgeber zusätzlich abrufbaren Anteil der Arbeit auf 25 % der vereinbarten wöchentlichen Mindestarbeitszeit, sowie der flexibel absenkbare Anteil von 20 % der Arbeitszeit entspricht der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes aus dem Jahr 2005.2

Neu ist allerdings die gesetzliche Vermutung der 20 Stunden-Woche. Wer hier im Streit mit dem Arbeitnehmer oder bei Prüfungen den Nachweis nicht erbringen kann, dass beispielsweise nur 8 Stunden pro Woche vereinbart waren, hat im Handumdrehen einen Beschäftigten im Übergangsbereich vor sich, statt einen Minijobber auf 450-€-Basis.

Gelingt es nicht die vereinbarte Arbeitszeit nachzuweisen, so greift die gesetzliche Fiktion der 20 Wochenstunden. Finanziell bedeutet dies auf Basis des in 2019 geltenden Mindestlohns von € 9,19 pro Stunde für die Abrufarbeitskraft bei einem Wochenfaktor von 4,33 Wochen pro Monat für 86 Stunden 36 Minuten € 855,83 zu vergüten zu müssen.

Ein Minijobber kann nach der gesetzlichen Vermutungsregelung zu einer Arbeitskraft im Übergangsbereich mutieren, mit entsprechenden finanziellen Ansprüchen. Ansprüche kann nicht nur der Arbeitnehmer geltend machen, sondern insbesondere auch der Sozialversicherungsträger im Rahmen der regelmäßig alle vier Jahre stattfindenden Betriebsprüfung.

Wurden mit dem Arbeitnehmer nur lose mündliche Absprachen getroffen, sollte die Fixierung der Wochenarbeitszeit nachgeholt werden, um mögliche Nachforderungen durch den Arbeitnehmer und der Sozialversicherungsträger zu vermeiden.

 

Arbeitszeitkonto als Handlungsalternative:Der Haken mit den Minusstunden

Ein schwankender Arbeitskräftebedarf kann grundsätzlich über Arbeitszeitkonten abgefangen werden. Hierzu ist zu vereinbaren, dass der Arbeitnehmer je nach Bedarf arbeitet, das monatliche Entgelt jedoch auf Basis einer bestimmten Sollarbeitszeit gleichbleibend gezahlt wird und die geleistete Arbeitszeit über ein Konto verwaltet wird, in das Plus- und Minusstunden zur Verrechnung eingestellt werden. Plusstunden können so Minusstunden ausgleichen. Weiter ist ein Zeitrahmen zu vereinbaren, an dessen Ende das Arbeitszeitkonto ausgeglichen sein muss.

Einen Arbeitnehmer im Umfang der vorhandenen Plusstunden bezahlt freizustellen ist grundsätzlich unproblematisch. Kritisch bei Zeitkonten ist die Abrechnung der Minusstunden. Die bereits gezahlte Vergütung für ein negatives Zeitsaldo wieder in Abzug zu bringen ist hingegen rechtlich problematisch. Die Vergütung für Minusstunden kann im Prinzip nur dann in Abzug gebracht werden, wenn der Arbeitnehmer allein darüber entscheiden kann, ob eine Zeitschuld entsteht und er damit einen Vorschuss erhält. Das Betriebsrisiko des Arbeitgebers die Arbeitskraft nicht einsetzen zu können, kann aber nicht auf den Arbeitnehmer abgewälzt werden. Ein Vergütungsabzug kommt daher nur dann in Betracht, soweit der Arbeitnehmer das Negativsaldo alleine zu vertreten hat.3

 

Praxistipp Abrufarbeit: klarstellende Festlegung der vereinbarten Wochenarbeitszeit

Wurde bei Minijobbern auf 450 € Basis, die auf Abruf tätig sind, keine Wochenarbeitszeit vereinbart, kann ein neuer Arbeitsvertrag zur Unterschrift vorgelegt werden. Die Vorlage eines neuen Arbeitsvertrages wird nicht immer als vertrauensbildende Maßnahme verstanden. Festgehalten werden sollte zur Vermeidung der dargestellten Risiken bei einem Abrufarbeitsverhältnis jedoch, dass eine bestimmte Arbeitsstundenanzahl pro Woche vereinbart wurde. In diesem Umfang besteht eine Vergütungspflicht auch dann, wenn die Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber nicht in Anspruch genommen wird. Erfolgt eine Freistellung auf Wunsch des Arbeitnehmers, so ist dies aus Nachweisgründen zu dokumentieren.

Ein Muster zur Regelung finden Sie hier.

  

1 Vgl. § 12 Absatz 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz
2 Vgl. BAG, 07.12. 2005 – 5 AZR 535/04
Vgl. BAG, 26. 01.2011 - 5 AZR 819/09 - Rn. 13

Verfasser Kirsten Alexander Ritz, Rechtsanwalt, lohn-ag.de Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

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