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Vollverzinsung mit Zinssatz von 6 % verfassungswidrig

Das BVerfG hat mit Beschluss v. 8.7.2021 - 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17 die sog. Vollverzinsung nach § 233a AO dem Grunde nach als verfassungsgemäß bestätigt, zugleich aber beanstandet, dass der Gesetzgeber den dabei angewendeten festen Zinssatz nach § 238 Abs. 1 Satz 1 AO von 0,5 % je vollem Zinsmonat jedenfalls seit 2014 hätte anpassen müssen. Allerdings darf dieser Zinssatz für Verzinsungszeiträume bis 31.12.2018 weiter angewandt werden.

Der Gesetzgeber muss nun für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 zeitnah eine verfassungsgemäße Neuregelung treffen.

Die Entscheidung des BVerfG hat folgende wesentliche Aspekte:

1. Die Vollverzinsung nach § 233a AO ist als solche grundsätzlich verfassungsgemäß. Die der Ausgestaltung der Vollverzinsung im Nachzahlungsfall zugrunde liegende typisierende Annahme, dass diejenigen, deren Steuerfestsetzung erst nach Ablauf der Karenzzeit von (mindestens) 15 Monaten (zutreffend) erfolgt, einen potenziellen Liquiditätsvorteil haben, ist von der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers gedeckt.

Für bis in das Jahr 2013 fallende Verzinsungszeiträume ist der gesetzliche Zinssatz von monatlich 0,5 % (§ 233a i. V. mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO) zwar zunehmend weniger in der Lage, den Erhebungszweck der Nachzahlungszinsen abzubilden. Die Vollverzinsung entfaltet insoweit jedoch noch keine evident überschießende Wirkung.
Die Vollverzinsung im Nachzahlungsfall mit dem typisierten Zinssatz von 0,5 % pro Zinsmonat entfaltet aber spätestens für in das Jahr 2014 fallende Verzinsungszeiträume im Regelfall eine überschießende Wirkung. Daher ist die Vollverzinsung nach § 233a AO mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit der Zinsberechnung für Verzinsungszeiträume ab dem 1.1.2014 ein Zinssatz von 0,5 % pro Monat zugrunde gelegt wird.

2. Das BVerfG hat sich dabei allerdings ausdrücklich darauf beschränkt, lediglich die Unvereinbarkeit des § 233a i. V. mit § 238 Abs. 1 Satz 1 AO – für die Verzinsung aller von der Norm erfassten Steuern und für Verzinsungszeiträume ab 2014 – mit dem Grundgesetz festzustellen, nicht dessen Nichtigkeit.

3. Für Verzinsungszeiträume vom 1.1.2014 bis 31.12.2018 ist das bisherige Recht aber gleichwohl weiter anwendbar (Fortgeltungsanordnung bis 2018). Der Gesetzgeber ist insoweit auch nicht zu einer rückwirkenden Neuregelung verpflichtet.

4. Diese Unvereinbarkeitserklärung hat für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 aber zur Folge, dass Gerichte und Verwaltungsbehörden diese Normen insoweit nicht mehr anwenden dürfen, laufende Verfahren sind auszusetzen (Anwendungsverbot ab 2019). Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, bis zum 31.7.2022 eine verfassungsgemäße Neuregelung (nur) für Verzinsungszeiträume ab 1.1.2019 für alle offenen Fälle zu treffen.

5. Die Unvereinbarkeitserklärung des BVerfG erstreckt sich dabei ausdrücklich nicht auf die anderen Verzinsungstatbestände nach der AO zulasten der Steuerpflichtigen, namentlich auf Stundungs-, Hinterziehungs- und Aussetzungszinsen nach den §§ 234, 235 und 237 AO.

Wir beraten Sie gerne zu den steuerlichen Aspekten dieses Themas.
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Mit besten Grüßen
Jürgen Theurer
Steuerberater

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