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Stärken nutzen, statt Schwächen zu beseitigen –
Teil 1
Personalführung konzentriert sich heutzutage sehr häufig auf die Beseitigung von Schwächen. Das liegt auch daran, dass unser Gehirn und unsere Wahrnehmung oft auf eigentümliche Weise destruktiv arbeiten. Was im Unternehmen nicht funktioniert, fällt uns schnell auf, weil es uns Schwierigkeiten bereitet. Ganz automatisch verbinden wir diese Schwachstellen in unserem Unternehmen dann mit den dafür verantwortlichen Personen. Und dann ist man schnell an dem Punkt, über schwache und unfähige Mitarbeiter, Kollegen oder Chefs zu klagen. Wie erfolgreich es sein kann, den Blick von den Schwächen auf die Stärken zu verlegen, darum geht es heute und im nächsten Arbeitgeberservice.
Ein typischer Fall: Der Vorgesetzte erkennt bei einem zuverlässigen und fleißigen Mitarbeiter Defizite im kommunikativen Bereich oder in seiner mangelnden Teamfähigkeit. Also überlegt man sich ein Förderungs- und Entwicklungsprogramm und schickt den Mitarbeiter auf Seminare oder lässt ihn coachen. Natürlich erzielt die Wirkung: nach einigen Maßnahmen wird man in den Bereichen, in denen er Schwächen hatte, Erfolge und Verbesserungen feststellen. Der Mitarbeiter ist besser geworden in seinem Kommunikationsverhalten oder im Team. Aber zur Wahrheit gehört auch: Er ist in diesen Bereichen jetzt lediglich „weniger schwach“ als vorher, also tendenziell eher Mittelmaß. Aber sind Kommunikation und Teamfähigkeit jetzt wirklich seine Stärken? Spitzenleistungen wird er auf diesem Gebiet auch in Zukunft wohl eher nicht vollbringen.
Es steht zu befürchten, dass der Vorgesetzte das gar nicht weiß, wenn er sich die entscheidende Frage noch nicht gestellt hat: Was sind denn eigentlich die Stärken meines Mitarbeiters? Was kann er denn besonders gut? Möglicherweise braucht Ihr treuer Mitarbeiter ja keine besonderen kommunikativen Qualitäten, wenn er mit seinen bereits vorhandenen Stärken einen viel größeren Beitrag für das Unternehmen erzielen kann. Deshalb lohnt hier der Perspektivwechsel: weg von „was kann er nicht?“ hin zu „wo ist der stark?“. Wenn Sie Ihre Mitarbeiter unter dem Blickwinkel der Stärkenorientierung beobachten, werden Sie erkennen, dass jeder Ihrer Mitarbeiter, auch der scheinbar unfähigste, Stärken hat. Vielleicht sind sie verborgen oder es ist nur eine Einzige, aber Sie werden individuelle Stärken entdecken. Gleichzeitig werden Sie aber auch feststellen, dass Ihre fähigsten Mitarbeiter Schwächen haben, die aber ganz offensichtlich im Arbeitsalltag keine große Rolle spielen. Was folgt daraus:
Die zentrale Aufgabe von Führungskräften besteht im ersten Schritt darin, die Stärken seiner Mitarbeiter zu identifizieren und im zweiten Schritt darin, ihn seinen Stärken und Fähigkeiten entsprechend einzusetzen. Anders ausgedrückt: Es muss bestmögliche Deckung entstehen zwischen dem, was ein Mitarbeiter kann und dem, was zu tun ist. Menschen müssen dort eingesetzt werden, wo sie bereits etwas können. Das ist nicht immer einfach und wird auch nie zu 100 % gelingen, aber es ist hochwirksam. Die Stärkenorientierung hat noch einen weiteren wichtigen Aspekt: Wer das tut, was er gut kann, wird automatisch bessere Ergebnisse erzielen, denn er ist intrinsisch, also aus eigener innerer Kraft motiviert. Es ist schon lange wissenschaftlich erwiesen, dass das Gegenteil, die extrinsische Motivation, also die Sorge vor Bestrafung oder das Schielen nach Belohnung, weit weniger motiviert.
Sollen wir Schwächen also ignorieren? Die Antwort ist ein klares „Nein“. Sie müssen als Vorgesetzter die Schwächen Ihrer Mitarbeiter sehr genau kennen, damit Sie nicht den Fehler begehen, sie dort einzusetzen, wo sie ihre Schwächen „zur Geltung bringen können“. Vergleichen Sie Ihre Aufgabe mit der eines Leichtathletiktrainers. Ein erfahrener Trainer erkennt sehr schnell, wer sich als Sprinter eignet oder wer als Langstreckenläufer erfolgreich werden kann. Entsprechend gestaltet er die Trainingsprogramme: Der Sprinter trainiert Starts und kurzfristige Muskelanspannung, der Langstreckenläufer wird seine Ausdauer trainieren und lernen, wie man ein Rennen taktisch einteilt. Beide können mit ihren Stärken erfolgreich werden, aber der Langstreckenläufer wird nie den 100-Meter-Sprint gewinnen, geschweige denn Freude daran haben – und umgekehrt gilt das genauso. Auch in diesem Beispiel arbeitet der Trainer sicherlich an der Beseitigung von Schwächen, aber eben nur insoweit, wie diese der Entfaltung der eigentlichen Stärke im Weg stehen.
Die Aufgabe von Personalmanagement ist es, Menschen so zu nehmen, wie sie sind, ihre Stärken herauszufinden und ihnen durch entsprechende Gestaltung ihrer Aufgaben die Möglichkeit zu geben, dort tätig zu werden, wo sie mit ihren Stärken eine Leistung erbringen und Ergebnisse erzielen können.
Wie Sie die Stärken und Schwächen Ihrer Mitarbeiter erkennen können, darum geht es im nächsten Arbeitgeberservice.
Viel Erfolg bei der täglichen Arbeit
Jan-Michael Meinecke, Unternehmenssprecher und selbständiger Kommunikationsberater. Seine Ideen sind u.a. inspiriert von Fredmund Malik`s Buch: „Führen, Leisten, Leben. Wirksames Management für eine neue Welt“, Campus 2019