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Stärken nutzen statt Schwächen beseitigen –
Teil 2
Im letzten Arbeitgeberservice haben wir erfahren, warum Sie auf die individuellen Stärken Ihrer Mitarbeiter setzen sollten, statt sich an der Beseitigung vermeintlicher Schwächen abzuarbeiten. Wie Sie die Stärken und Schwächen Ihrer Mitarbeiter erkennen, darum soll es heute gehen.
Ein kurzer Blick zurück: Nahezu alle Berühmtheiten der Geschichte zeichneten sich dadurch aus, dass Ihre Fähigkeiten bzw. Stärken sehr limitiert waren. Mozart konnte begnadet komponieren, war aber für das Alltagsleben gänzlich ungeeignet. Picasso malte grandios und Thomas Mann war ein großer Schriftsteller; von anderen Stärken dieser Genies ist nichts überliefert. Auf allen Gebieten findet man dieses Muster: Menschen, die herausragende Leistungen erbracht haben, taten dies immer auf einem eng begrenzten Gebiet – von wenigen Universalgenies wie Goethe oder Leonardo da Vinci einmal abgesehen. Was für die „Großen“ mit wenigen Ausnahmen gilt, gilt für uns weniger „Großen“ umso mehr. Wer Leistungen erbringen will, muss sich auf das konzentrieren, was er kann und wo er seine Stärken hat. Selbst dann ist es herausfordernd genug, Leistung zu erbringen und Erfolg zu haben.
Um die wirklichen Stärken zu erkennen, müssen wir zunächst mit einem sehr verbreiteten Irrtum aufräumen. Dieser besteht darin, dass wir denken, dass jemand gut in etwas ist, was er besonders gerne macht. Diese Auffassung erscheint den meisten Menschen so plausibel, dass sie kaum auf die Idee kommen, sie in Zweifel zu ziehen. Aber sie ist falsch. Es gibt keine Korrelation zwischen „Gerne tun“ und „guttun“. Es gibt jedoch eine starke Korrelation zwischen „ungern tun“ und „schlecht tun“. Wer etwas ungern tut, wird damit selten große Resultate erzielen, weil er die ungeliebten Tätigkeiten immer wieder aufschiebt, improvisiert und sie schnell über die Bühne bringen will. Im Umkehrschluss glauben wir dann irrtümlicherweise, dass wir etwas guttun, wenn wir es nur gerne machen. Um Stärken zu erkennen, sollten sie die Beziehung umdrehen: Weil man etwas gut macht, macht man es auch gerne. Das leuchtet sofort ein, denn über gute Leistungen freut man sich und man bekommt positives Feedback. Das motiviert und lässt uns vergleichbare Aufgaben gerne erledigen.
Die erfolgsentscheidende Frage muss deshalb lauten: Welche Aufgaben fallen einem leicht? Das Gemeine daran ist aber, dass einem die Dinge, die man leicht kann, nicht sonderlich auffallen. Es passiert deshalb sehr häufig, dass einem die eigenen Stärken überhaupt nicht bewusst sind. Wenn Sie also als Vorgesetzter die Stärken Ihrer Mitarbeiter erkennen wollen, müssen Sie sie beobachten: Was erledigen sie gut, was funktioniert reibungslos, wo erzielen sie schnelle Erfolge? Genau diese Fähigkeiten gilt es zu fördern. Wenn Ihr Mitarbeiter seine Aufgaben auch noch gerne macht, ist ein durchaus positiver Nebeneffekt, aber nicht das Ziel. Ihre Aufgabe ist es, für Ergebnisse zu sorgen. „Spaß haben“ und etwas „gerne tun“ ist eben etwas anderes, als eine Aufgabe gut zu beherrschen und mit Leichtigkeit zu bewältigen.
Und wie erkenne ich die Schwächen? Nicht alles, was uns als Schwäche erscheint, ist auch tatsächlich eine Schwäche im hier gemeinten Sinne. Es sind im Wesentlichen fünf Arten von Mängeln, die als Schwächen in Erscheinung treten. Vier davon kann und sollte man eliminieren oder stark verbessern.
- Mangel an Wissen und Kenntnissen: Ein erheblicher Teil solcher Defizite lässt sich durch Ausbildung und Lernen aus der Welt schaffen. Wer im Job Englisch sprechen muss, kann das erlernen. Er wird vermutlich eine miserable Aussprache haben und nie Shakespeare im Original lesen können, aber das ist ja auch meistens nicht erforderlich. Ebenso kann man, selbst wenn man nicht Betriebswirtschaftslehre studiert hat, ein Minimum an Organisationswissen oder über das Rechnungswesen erlernen.
- Skills oder Fertigkeiten: Man kann lernen, eine Computertastatur zu bedienen, eine Tagesordnung für eine Sitzung zu erstellen, einen brauchbaren Bericht zu schreiben oder eine Präsentation vorzubereiten. All das eben, was man heute in jedem Unternehmen typischerweise braucht. Vergleichbar mit dem Vorteil, in einer modernen Gesellschaft Auto fahren zu können, auch wenn man kein Formel-1-Rennen fahren will.
- Verständnis und Einsicht in andere Fachgebiete und Aufgaben: Auch wenn man Biochemiker ist, kann man lernen zu akzeptieren, dass es in einem Pharmaunternehmen auch Marketing und dafür qualifizierte Experten geben muss. Von einem HR-Spezialisten kann man erwarten, dass er akzeptiert, dass ein Unternehmen auch Zahlen braucht. Dafür muss er keine Bilanzen lesen können und Buchhalter bleiben Ihm vermutlich sein Leben lang suspekt. Aber ein Minimum an Verständnis für andere Unternehmensbereiche kann man erwerben.
- Schlechte Gewohnheiten: Oft sind gewisse Eigenschaften, die als Schwächen in Erscheinung treten, nur schlechte Gewohnheiten. Auch diese können bis zu einem gewissen Grad aus der Welt geschafft werden. Dazu gehören Dinge wie chronische Unpünktlichkeit, der Hang zu Schlamperei und Nachlässigkeit oder etwa die Unart, nie etwas wirklich zu Ende zu bringen.
Nicht oder nur schwer zu beseitigend sind dagegen individuelle Persönlichkeits- und Charaktereigenschaften. Jeder kennt die Mitarbeiter, die mit anderen Kollegen nur schwer zurechtkommen. Das ändert sich auch durch viele Trainings kaum. Aus einem typischen Einzelgänger machen Sie nun einmal keinen wirklich guten Teamplayer. Zum Glück spielt das aber auch keine Rolle, solange man den Einzelgänger mit Aufgaben betraut, die er alleine bearbeiten kann. Auf der anderen Seite gibt es die Menschen, die im Team hervorragend sind, die die Kollegen brauchen, um überhaupt in Form zu kommen, die aber alleine nahezu hilflos sind. Ein typischer Denker, der analytisch und konzeptionell arbeitet und dessen Stärke darin besteht, ein Problem zu durchdringen oder Lösungen zu entwickeln, wird selten ein wirksamer Macher, dessen Stärke die Realisierung ist. Es gibt die Mitarbeiter, die selten Konflikte mit Menschen, dafür aber mit Zahlen haben und es gibt die Menschen mit einer besonderen Beziehung zu zahlen, aber sonst zu gar nichts, vor allem nicht zu Menschen.
Haben Sie bei der Beobachtung Ihrer Mitarbeiter immer im Kopf: Keine zwei Menschen sind gleich keine, zwei Menschen arbeiten gleich und keine zwei Menschen erbringen auf dieselbe Art Leistung. Was wir also oft als vermeintliche Schwäche wahrnehmen, sind vielmehr Eigenarten der Persönlichkeit, des Charakters oder des Temperaments. Diese Eigenarten können Sie nicht ändern.
Fazit: Wer Spitzenleistungen erzielen will, muss Stärken nutzen. Wer Stärken nutzen will, muss auch Schwächen in Kauf nehmen. Man muss versuchen, die Schwächen zu kompensieren, sie also bedeutungslos und irrelevant zu machen; das ist Ihre Aufgabe als Vorgesetzter.
Viel Erfolg bei der täglichen Arbeit
Jan-Michael Meinecke, Unternehmenssprecher und selbständiger Kommunikationsberater. Seine Ideen sind u.a. inspiriert von Fredmund Malik`s Buch: „Führen, Leisten, Leben. Wirksames Management für eine neue Welt“, Campus 2019