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Einkommensteuer | Privates Veräußerungsgeschäft nach trennungsbedingtem Auszug eines Ehepartners (BFH)

Eine (willentliche) Veräußerung i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG kann auch dann vorliegen, wenn der Ehegatte seinen Miteigentumsanteil an dem im Miteigentum beider Ehepartner stehenden Einfamilienhaus vor dem Hintergrund der drohenden Zwangsvollstreckung im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung (entgeltlich) auf seinen geschiedenen Ehepartner innerhalb der Haltefrist überträgt (BFH, Urteil v. 14.2.2023 - IX R 11/21; veröffentlicht am 13.4.2023).

Sachverhalt: Streitig ist, ob der Befreiungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 des EStG erfüllt ist, wenn der seinen Miteigentumsanteil veräußernde Ehegatte nach Trennung der Eheleute aus dem im Miteigentum stehenden Wohnhaus ausgezogen ist, der andere Ehegatte und das gemeinsame Kind dort aber wohnen bleiben.

Im Jahr 2015 zog der Kläger aus (Erwerb des Hauses 2008). Die Ehe wurde durch 2017 geschieden. Nachdem die geschiedene Ehefrau des Klägers die Zwangsversteigerung für den Fall angedroht hatte, dass ihr der Kläger seinen hälftigen Miteigentumsanteil nicht verkaufen sollte, veräußerte der Kläger den hälftigen Miteigentumsanteil mit notariell beurkundeter Scheidungsfolgenvereinbarung und Veräußerungsvertrag aus 2017 an seine geschiedene Ehefrau und erzielte einen unstreitigen Veräußerungsgewinn.

In seiner Einkommensteuererklärung für 2017 behandelte der Kläger den Veräußerungsgewinn als steuerfrei. Dem folgte das Finanzamt im Einkommensteuerbescheid nicht.

Der BFH wies die Revision des Klägers als unbegründet zurück:  

  • Zu Recht hat das FG in der Übertragung eine Veräußerung i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG gesehen. Entgegen der Ansicht der Revision ist eine solche nicht deshalb zu verneinen, weil der Kläger ohne Übertragungswillen gehandelt und sich nicht wirtschaftlich betätigt hat.
  • Zwar ist die Veräußerung einer Immobilie dann nicht steuerbar, wenn die Immobilie durchgängig zwischen Anschaffung und Veräußerung oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wird. Ein in Scheidung befindlicher Ehegatte nutzt das in seinem Miteigentum stehende Immobilienobjekt aber nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken, wenn er ausgezogen ist und nur noch sein geschiedener Ehegatte und das gemeinsame Kind weiterhin dort wohnen.
  • Eine das Vorliegen eines privaten Veräußerungsgeschäfts ausschließende Zwangslage, wie z. B. bei einer Enteignung oder einer Zwangsversteigerung, lag nicht vor. Zwar hatte die geschiedene Ehefrau ihren Ex-Partner erheblich unter Druck gesetzt. Letztlich hat dieser aber seinen Anteil an dem Einfamilienhaus an seine geschiedene Frau freiwillig veräußert.

Anmerkung von Dr. Nils Trossen, Richter im IX. Senat des BFH:

Mit der Entscheidung klärt der BFH die von der Praxis lange erwartete Streitfrage, ob die Veräußerung einer Immobilie in Rahmen der Vermögensauseinandersetzung im Scheidungsverfahren als privates Veräußerungsgeschäft der Besteuerung unterfällt, wenn ein Ehegatte auszieht, der andere Ehegatte mit dem oder den gemeinsamen Kindern in der Immobilie weiter wohnen bleibt. Da der veräußernde (geschiedene oder getrennt lebende) Ehepartner im Veräußerungszeitpunkt nicht mehr in der Immobilie wohnt, kann er sich nicht auf das Vorliegen "eigener Wohnzwecke"  i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG berufen. Insbesondere die Nutzung durch die eigenen minderjährigen Kinder, die sich im Haushalt der getrenntlebenden Ehefrau befinden, kann dem veräußernden Ehemann nicht zugerechnet werden. Denn minderjährige Kinder haben keinen eigenen Haushalt, sondern sind dem Haushalt des betreuenden Elternteils zuzurechnen. Insoweit ist die Situation eine andere als bei der unentgeltlichen Überlassung einer Immobilie an ein volljähriges Kind, für das der Steuerpflichtige Kindergeld oder einen Kinderfreibetrag erhält (vgl. BMF, Schreiben v. 5.10.2000 - IV C 3 -S 2256 - 263/00 , Rz 23 sowie BFH, Urteil v. 24.5.2022 – IX R 28/21 ).

Um das Entstehen von Veräußerungsgewinnen im Scheidungsfall zu verhindern, kann Ehepartnern in Trennung nur geraten werden, entweder bis zum Veräußerungszeitpunkt oder zumindest noch zu Beginn des Jahres der Veräußerung in der Immobilie wohnen zu bleiben.  Das schließt nicht aus, ggf. zum "Trennungsgrund" zu ziehen.

Gleichwohl sollte zumindest in der früheren Ehewohnung noch ein Zweitwohnsitz unterhalten werden (vgl. BFH, Urteil v. 27.6.2017 – IX R 37/16 ), der als solches "eigene Wohnzwecke" begründen vermag. Denn eine Immobilie wird auch dann zu eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn sie der Steuerpflichtigen nur zeitweilig bewohnt, sie ihm aber in der übrigen Zeit als Wohnung zur Verfügung steht. Die Mitbenutzung durch Angehörige oder Dritte (gemeinschaftliche Nutzung) ist unschädlich. In diesem Fall wird es aber mit Sicherheit zu Nachfragen des Finanzamts kommen, ob es sich bei dem Verbleiben im früheren Familienheim nur um einen "Scheinwohnsitz" handelt. Es sollte daher dokumentiert werden, dass dort sich nicht nur persönliche Gegenstände befunden haben und dort auch (zumindest zeitweise) übernachtet wurde. Es sollte weiter dargelegt werden, dass der veräußernde Ehegatte sich bis zum Veräußerungszeitpunkt an den laufenden Kosten des Objekts (Strom, Heizung, Erhaltungsaufwendungen usw.) beteiligt hat.

Quelle: BFH, Urteil v. 14.2.2023 - IX R 11/21; NWB Datenbank; BFH-Pressemitteilung Nr. 23 v. 13.4.2023 (JT)

 
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Mit besten Grüßen
Jürgen Theurer
Steuerberater

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